Sonntag, 23. April 2017

Rüstkammer Dresden

Wenn der Besucher heutzutage den Riesensaal des Dresdner Residenzschlosses betritt, ist er förmlich schon Teil der Aura dieses ganz besonderen Schlosses. Der Faszination der überragend restaurierten Renaissanceperle Dresdens können sich, das will ich jetzt einfach mal behaupten, nur sehr wenige Menschen entziehen.


Meistens hat man an dieser Stelle schon die Führung durch das historische und moderne Grüne Gewölbe hinter sich gelassen. Man hat die restaurierten Räume, Treppenhäuser, Stuckdecken bewundern können, und ist jetzt dabei in eine ganz andere Welt einzutauchen.



In die Welt des Mittelalters. Das denkt jetzt der Laie, bei dem ersten Blick in diesen großen Raum. Reiter in Prunkrüstungen auf Pferden, überall Schwerter und Harnische, ein Glanz und ein Schimmer, der sich scheinbar in den Sonnenstrahlen noch vervielfältigt  und bricht.

Aber …
das hier ist nicht Mittelalter. Das hier ist bereits frühe Neuzeit, denn alle Harnische stammen frühestens aus dem späten 15. Jahrhundert, im Schwerpunkt aber aus den folgenden Jahrhunderten.
Die Dresdner Rüstkammer zeigt Waffen und Harnische aus Repräsentationsgründen. Das war der Ursprung der Sammlung. Heute handelt es sich natürlich um Kunstgegenstände.
Diese Gerätschaften sind somit keine Rüstungen mehr aus den mittelalterlichen Kriegen. Es sind Turnierrüstungen bzw. reine Repräsentationsgegenstände, die hier ihren ursprünglichen Zweck schon nicht mehr erfüllen mussten.
Aber gerade das macht die Sammlung dann aber auch so wertvoll. Es handelt sich um geniale handwerkliche Schöpfungen. Sie sind mit den damals neuesten Techniken gearbeitet worden. Feinster Stahl, Gold und Metalle wurden hier verwendet.
Die Produktionsfertigkeit hatte hier schon einen Höhepunkt erreicht, der in den Jahrhunderten davor gar nicht so möglich gewesen wäre.
Bereits bei den späten Rüstrungen des Spätmittelalters kamen Techniken zum Einsatz, die den Harnisch leichter machten, weil viel besser und feiner geschmiedet werden konnte. Die Rüstung wurde förmlich eine zweite Haut aus Stahl, und war nicht mehr der globige, schwere und unförmige Schutzpanzer.
Solche Rüstungen (um die 35 kg) entsprachen in ihrem Gewicht somit auch dem Standardgewicht, das ein moderner Soldat durch die Gegend schleppt.
Wichtig zu wissen, denn es wird immer noch die Geschichte vom unbeweglichen Ritter, der mittels eines Krans in seinen Sattel gehoben werde musste, kolportiert.
Bei diesen gezeigten Rüstungen war dies nicht mehr nötig, es sei denn der Träger war völlig unbeweglich, zu fett und/oder von der Gicht geplagt. Das war natürlich was anderes.
Ich werde jetzt nicht zu jeder gezeigten Rüstung, zu jedem Harnisch oder jeder Waffe etwas schreiben können. Dafür gibt es entsprechende Fachliteratur.
Einige Ausstellungsstücke werde ich kommentieren, bei anderen nur die Bilder sprechen lassen.
Ich denke allerdings, dass diese Bilder dann schon Anstoss für einen Besuch geben können.
Die erste Turniergruppe „Anzogenrennen“ ,  zeigt zwei Reiter mit Harnischen, an denen auf der linken Brustseite Tartschen (also kleine Schilde) fest angeschraubt waren. Daher rührt die Bezeichnung „anzogen“. Als Rennen bezeichnet man eine Turnierart, bei der der Gegner mit armdicken Lanzen vom Pferde gerannt (gestoßen) werden sollte.






Auf den Holztafeln über diesen beeindruckenden Langschwertern und Bidenhändern sind solche Rennen auch abgebildet.


Die nachfolgend im Bild gezeigten Harnische stammen aus dem Jahr 1612 und waren ein Weihnachtsgeschenk der Kurfürstin Magdalena Sybilla für Ihren Ehemann Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen. Die äußere Form ist nahezu identisch. Nur der Ätzdekor ist unterschiedlich. Ein Harnisch ist vergoldet. Bei den Helmen handelt es sich um Mantelhelme, die auch als Savoyardenhelme bezeichnet werden.


Verschiedene Harnische und Waffen:

(Turnierharnisch Christian I. von Sachsen um 1580)


(Fechtdegen, Reiterschwert, Turnierschwert und Dusägge, 2. Hälfte 16. Jhd.)


(Teile eines Turnierharnisches des Kurfürsten August von Sachsen um 1570)


(Sogenannte sächsische Rennzeuge, 2. Hälfte 16. Jahrhundert)




Der nachfolgende Turnierharnisch mit Tartschenaufsatz wurde doch tatsächlich noch im Jahr 1719 bei einem Turnier auf dem Dresdner Altmarkt anlässlich der Hochzeit des Sohnes August des Starken getragen. Gefertigt wurde er in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

Die im nachfolgenden Bild gezeigten Turnierschwerter stammten aus der Mitte des 17. Jahrhunderts.

Dieser Fußturnierharnisch des Kurfürsten Christian von Sachsen (Dresden um 1597) fällt natürlich auf: Er ist gebläut und mit Goldmalereien verziert.

Darstellung einer Reitertruppe im Turnier und weitere Harnische.



(Turnierharnisch mit Wechselstücken, Landshut um 1570)



Jeweils drei Kämpfer, die sich im Fußturnier gegenüberstehen, umgeben von weiteren Exponaten.



Auch Kinderharnische, angefertigt für die jungen Söhne des Herrscherhauses, sind Teil der Ausstellung.

Fußturnierharnische des Kurfürsten Christian I. von Sachsen, 1591


 Kürisssättel Ende 16. Jahrhundert.


Prunkharnisch des Herzogs Johann Wilhelm I. von Sachsen Weimar mit Wechselstücken, 1570



Die Pferderüstungen, die hier in Dresden mit entsprechenden Reitern dargestellt sind, sind allesamt äußerst prunkvoll und inspirieren einen Figurenmaler geradezu dazu, entsprechende Miniaturen zu bemalen.




Bei diesem Harnisch fällt vor allem der würfelartige Dekor auf.

Auf diesem Rossharnisch findet  sich das Motto des Kurfürsten wieder: FSV – Fide sed vide. Vertraue, aber achte darauf wem.

Dieser Harnisch, gefertigt 1563-65, war ursprünglich ein Prunkharnisch für Ross und Reiter, angefertigt für den schwedischen König Erik XIV. Dieser Harnisch wurde quasi bei der Auslieferung von Dänen erbeutet, und gelangte dann durch Kauf in den Besitz des sächsischen Kurfürsten.


Auch bei dem nachfolgenden Harnisch handelt es sich um ein weiteres Weihnachtsgeschenk, der bereits oben zitierten kurfürstlichen Gattin.


Dieser schwarz-goldene Dreiviertelharnisch war genau wie der oben gezeigte Pferdeharnisch in der Beute der Dänen im Jahr 1565.

Offensichtlich war es gelebter Brauch dem Mann zu Weihnachten eine Rüstung zu schenken. Finde ich persönlich nicht schlecht, und sollte ich vielleicht auch einmal bei mir zuhause einführen. Sturmhaube und Pistolen erhielt im Jahr 1589 Kurfürst Christian von seiner Gemahlin Sophie.


Weitere Schätze aus diesen Vitrinen.



Dieser Prunkharnisch mit Wechselbrust stammt aus französischer Fertigung (1588). Er war ein Geschenk aus Savoyen für den sächsischen Kurfürsten.

Nachfolgend jetzt Feldharnische des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts. Solche Harnische wurden dann im 30jährigen Krieg von den Kürassieren getragen.





Knabenharnische für die Söhne Christians I. von Sachsen (um 1590).

Prunkharnisch mit Rossstirn und Kürisssattel 1594-99 in Augsburg entstanden. Die figürlichen Darstellungen sind aus vergoldetem Kupfer auf den Harnisch aufgenietet.

Harnisch im Pisaner Stil um 1580

Rapiere, Dolche, Schützenhauben, Morion und Schilde, wie sie noch später von Rondartschieren genutzt wurden.






Hier ein Feldharnisch des Kurfürsten Johann Georg II. von Sachsen. Dieser Kürass sollte quasi das „Leichenhemd“ des Kurfürsten sein. Nach seinem Tod sollte er als sogenannter „Freudenküriss“ beim Leichenzug verwendet werden. Er kam allerdings nicht zum Einsatz, weil der Kurfürst Dresden wegen einer ausgebrochenen Pestepedimie verlassen hatte und am 22.8.1680 in Freiberg verstarb.


Feldharnisch und Banddegen – Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen – aus der Zeit des 30jährigen Krieges.


Zum Abschluss noch ein Blick auf Schwerter und die beiden Lanzen.

Die Ausstellung wurde im Februar 2013 im Riesensaal eröffnet. Vorher war sie in der Sempergalerei des Zwingers untergebracht.
Alte Dresdenkenner, zu denen ich leider nicht gehöre, behaupten immer, dass früher viel, viel mehr ausgestellt worden wäre.
Diese Aussage kann ich nicht bestätigen, kann sie auch nicht verneinen. Tatsache ist, dass die ausgestellten Exponate nur rund 10% des Gesamtbestandes ausmachen.
Dies kann man kaum glauben, wenn man die wirklich beeindruckenden Harnische und Waffen sieht.
Egal wie. Der Besuch der Rüstkammer ist ein Muss, wenn man Dresden besucht. Die Ausstellungsstücke sind Unikate, höchstwertige Schmiedekunst und beeindruckend in ihrer Konzeption, aber auch im Arrangement hier im Museum.
Ich bin mir sicher, auch Sie, meine lieben Leser, werden beeindruckt sein.



When the visitor today enters the Giant Hall of Dresden castle (Riesensaal des Residenzschlosses), he will be part of the aura of this very special castle. The fascination of the outstandingly restored Renaissance pearl of Dresden will catch every visitor.
At the moment you are entering the Giant Hall, you will have passed the historical and modern green vault. You have admired  the restored rooms, staircases, stucco ceilings, and now you are in a completely different world.
In the world of the Middle Ages. That is what you think at first sight.
There are knights, swords, lances and harnesses, a splendor and a glimmer, which still seem to be multiplied and broken in the sun's rays.
But …
This is not the Middle Ages. This is already an early modern period, because all harnesses are from the late 15th century at the earliest, but mainly of the following centuries.
The Dresden Armory Chamber („Rüstkammer“) in history shows weapons and harnesses for reasons of representation. That was the origin of the collection.
Today these are, of course, objects of art.
The exponents are no armor from the medieval wars. They are tournament equipment or pure representations, which had had no longer to fulfill their original purpose.
But that makes the collection so valuable.  You see genius craft creations. Finest steel, gold and metals were used here.
Since the 15th century productivity had already reached a climax that would not have been possible in the centuries before.
Techniques were used which made the harness lighter. The forging process was optimized. The armor was formally a second skin of steel, and was no longer the globular, heavy and bulky protective armor.
Such armor (by the 35 kg) corresponded in their weight to the standard weight, which a modern soldier has to wear.
Important to know, because the story of the immovable knight, who had to be lifted into saddles by means of a crane, is still being portrayed. And that is not correct.
With the armor shown, this was no longer necessary, unless the wearer was completely motionless, too fat and / or plagued by the gout. Of course that was different.
I will not be able to explain every armor or weapon shown in the photos.
I will comment some of the exhibits.
I think, however, that these pictures can be an impetus for a visit.
The first tournament group shows two riders with full harnesses. A German Course (Rennen) is a type of tournament in which the opponent should be thrown (kicked) from the horse with arm-thick lances.
These German Courses are also depicted on the wooden boards above these impressive longswordsand bidenhanders.
The harnesses shown here are from the year 1612 and were a Christmas present of the electress Magdalena Sybilla for her husband Elector Johann Georg I of Saxony. The outer shape is almost identical. Only the etching decay is different. One harness is gilded. The helmets are shell helmets, which are also called Savoyarden helmets.
Different harnesses and weapons.
The following tournament harness was actually still in the year 1719 at a tournament on the Dresdner Altmarkt on the occasion of the wedding of the son August II. the Strong.  It was completed in the second half of the 16th century.
The swords shown in the following picture were from the middle of the 17th century.
This trefoil of the Elector Christian of Saxony (Dresden circa 1597) is, of course, remarkable: it is blued and decorated with gold paintings.
Another tournament group and other harnesses.
Three fighters, each standing in the foot tournament, surrounded by other exhibits.
Children's armour, made for the young sons of the ruling house, are also part of the exhibition.
The horse armour depicted here in Dresden with corresponding riders are all extremely sumptuous and inspire a figure painter to paint the corresponding miniatures.
At this harness, the cube-like decor is particularly noticeable.
On this horsearmour the motto of the Elector is shown: FSV - Fide sed vide. Trust, but pay attention to whom.
This harness, made in 1563-65, was originally an ornate for horse and rider, made for the Swedish king Erik XIV. This harness was captured by the Danes, and then acquired by the purchase of the Saxon Elector.
The next armour is another Christmas present of the Elector's wife already quoted above.
Obviously it was customary to give the husband a harness as a Christmas present. Really great, and I think, i have to talk to my wife. ;-))
This black-and-gold three-quarter-horseman armour was just like the other armour shown above captured by the Danes in 1565.
Helmet and pistols were given to Elector Christian in 1589 by his wife Sophie.
This pompous harnish with alternating breast comes from French manufacture (1588). It was a gift from Savoy for the Saxon Elector.
Subsequently, field harnishes of the late 16th and early 17th century. Such armour were then worn by the Cuirassiers during the Thirty Years War.
Armour for the sons of Christian I of Saxony (around 1590).
Pompous harness with „Rossstirn“ and „Kürisssattel“  (horse protection and saddle for cuirassiers) (1594-99) manufactured in Augsburg. The figurative representations are riveted on the armor of gilded copper.
Rapiers, daggers, helmets, Morion and shields, as they were later used by „Rondartschiers“ (Spanish bucklers).
Here is a field harness of Elector Johann Georg II of Saxony. It was manufactured as the "corpse-shirt" of the Elector. However, it was not used in the funeral procession because the Elector had left Dresden because of a plague and died in Freiberg on the 22.8.1680.
Armour and sword - Elector Johann Georg I of Saxony - from the time of the 30 years war.
Finally, take a look at the swords and the two lances.
The exhibition was opened in the „Riesensaal“  in February 2013. Previously, it was housed in the Dresden Zwinger's Semper gallery.
Old Dresden connoisseurs, to which I unfortunately do not belong, always claim that here much, much more had been exhibited.
This statement I can not confirm, it can not deny. The fact is that the exhibits shows only around 10% of the total stock.
This is hard to believe when you see the really impressive harnesses and weapons.
No matter how.
Visiting the „Rüstkammer“ (Dresden Armory Chamber) is a must, if you visit Dresden. The exhibits are unique, highly valuable forging art and impressive in their conception, but also in the arrangement here in the museum.
I am sure you, too, my dear readers, will be impressed

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